Wie Details den Alltag bereichern
Sabina Bajrić wäscht nicht nur Wäsche, und Anela Suljovic ist mehr als eine Reinigungskraft. Ihre Liebe zum Detail und ihr Arbeitstalent bereichern den Alltag der Bewohnerinnen Marie-Louise Lüthi und Pia Wicki-Engeler vom Viva Luzern Staffelnhof.
Marie-Louise Lüthi und Pia Wicki sitzen bereits am runden Tisch im Viva Luzern Staffelnhof. Wenige Minuten später betreten auch Sabina Bajrić und Anela Suljovic den Raum. Sabina Bajrić arbeitet in der Wäscherei, Anela Suljovic im Reinigungsteam. «Oh, wie schön! Die zwei Schätzeli sind auch da.
Was für eine Freude!», begrüsst Frau Wicki die beiden. Ein so herzliches Willkommen sagt bereits eine Menge über das Miteinander aus. Eine ordentliche Portion Heiterkeit nimmt Platz, sobald die vier Frauen ins Gespräch einsteigen. Und Wohlgefühl ausserdem. Wie passend, dass wir uns heute über Letzteres unterhalten: wie die Liebe zum Detail das Wohlfühlen beeinflusst und was Wohlfühlen per se bedeutet.
Frau Lüthi, was bedeutet es, sich wohlzufühlen?
Ich fühle mich wohl, wenn das Rundherum stimmt. Dazu gehört auch, dass ich mich nach einem erfüllten Tag in mein Zimmer zurückziehen darf. Ich mag die Ruhe, die Stille mit mir. Ich bin so jung, dass ich mir das inzwischen herausnehme.
Sagts und zwinkert uns zu. Jung ist sie tatsächlich, die 99-jährige Dame. Frisch und keck im Geist. Ihr Verstand ist messerscharf und ihre Worte wählt sie mit Bedacht. Immer so, dass man aufmerksam zuhört. Weil man nie weiss, wann ein ironischer Spruch über ihre Lippen purzelt. Aufmerksam zuhören und als Mensch mit individuellen Bedürfnissen gesehen werden sind denn auch Aspekte, die ein Wohlgefühl auslösen. Das unterstreichen beide Damen mehrmals.
Frau Wicki, was bedeutet wohlfühlen für Sie?
Ich will mich gut unterhalten können. Gespräche über Gebrechen und Pillen sind nicht so meins. Viel lieber unterhalte ich mich über andere Themen, die unser Leben ausmachen. Ich bin ein sehr fröhlicher Mensch und lache gerne. Wenn ich die Wäsche in die Wäscherei bringe, ist das für mich immer ein sonniger Moment. Das erhellt meinen ganzen Tag. Da arbeiten alles Goldschätze. Und manchmal ist sogar Zeit für eine herzliche Umarmung.
Es sei immens, was die Leute in der Reinigung und in der Wäscherei jeden Tag leisten. Für so viele Menschen sauber machen und die Wäsche waschen – ein beträchtlicher Berg Arbeit sei das. Eine Arbeit, die teilweise zu wenig gesehen und geschätzt werde. Dabei seien ein frisch bezogenes Bett, saubere Frotteewäsche oder fein duftende Kleider eine Wohltat. Da sind sich die beiden Seniorinnen einig. Sie hätten beide noch nie Anlass gehabt, sich über irgendetwas zu beschweren.
Sabina Bajrić, Anela Suljovic, was gehört für Sie zum Wohlfühlen?
Sabina Bajrić: Ich will als Mensch und in meiner Arbeit ernst genommen werden. Genauso achte ich auch die Bewohnenden und ihre Anliegen. Mir ist es wichtig, dass wir mit den Menschen sorgfältig umgehen und ihre Wünsche so weit wie möglich erfüllen.
Anela Suljovic: Ich habe immer vor Augen, dass es ihr Zuhause ist, das ich betrete. Wenn ich in ein Zimmer komme, erkundige ich mich nach dem Befinden der Bewohnenden. Und ob es in Ordnung ist, wenn ich jetzt putze. Mir ist gute Kommunikation wichtig, und wie Sabina schon sagte, auch ich will die Wünsche erfüllen.
Diese Aussage quittieren Frau Lüthi und Frau Wicki mit einem Nicken. Hilfsbereitschaft schätzen sie. Dass einem sofort zur Hand gegangen werde, wenn Bedarf sei. Wobei Frau Wicki ihre Selbstständigkeit hegt und es ihr wichtig ist, so viel wie möglich ohne fremde Hilfe zu bewerkstelligen. Auch wenn das bedeute, dass sie am Morgen viel Zeit brauche, bis sie fertig sei. Die nehme sie sich einfach. Trotzdem sei es schön, zu wissen, dass eine helfende Hand zur Stelle wäre, würde man sie brauchen. Egal ob beim Öffnen einer Flasche oder beim Anziehen der Schuhe.
Frau Lüthi, trägt das Zwischenmenschliche auch zum Wohlfühlen bei?
Auf jeden Fall! Wenn ich spüre, dass gegenseitige Sympathie vorhanden ist, fühle ich mich angenommen. Dazu gehört auch Empathie. Da winde ich den beiden Frauen ein Kränzchen. Sie haben selbst dann ein offenes Ohr, wenn ich mit nicht so schönen Sachen an sie gelange. Die Mitarbeitenden der Wäscherei oder der Reinigung sind Aufsteller im Alltag. Da ist immer Zeit für ein freundliches Wort, eine kleine Geste. Ich fühle mich gesehen.
Die lobenden Worte fallen im Akkord. Immer mal wieder unterbrochen von herzhaftem Lachen. Die Wertschätzung der Bewohnerinnen landet bei Sabina und Anela mitten im Herzen. Wobei sie es als selbstverständlich ansehen, so zu arbeiten und die Liebe zum Detail zu pflegen – egal ob es die messerscharfe Bügelfalte ist oder eine kleine Hilfestellung, während man das Zimmer reinigt.
Wie schätzen Sie die Wichtigkeit von Beziehungen ein?
Sabina Bajrić: Die Beziehungen sind wie der Herzschlag unserer Arbeit. Wenn jemand in die Wäscherei kommt, dann nehme ich mir Zeit für die Anliegen. Wir haben auch immer etwas Süsses zur Hand. Die Wäsche rennt nicht weg. Aber dieser Moment, wenn ein Mensch vor mir steht, kommt nicht wieder.
Anela Suljovic: Ich bin jeden Tag in den Zimmern der Bewohnenden, also in ihrem Zuhause. Da lernt man sich kennen und damit einhergehend auch die Besonderheiten oder Vorlieben von Menschen. Mir hilft das, meine Arbeit gut zu machen. Bin ich mit dem Menschen vertraut, kann ich auch Ungesagtes deuten und unkompliziert zur Hand gehen, wenn ich im Zimmer bin.
Sind kleine Aufmerksamkeiten und Details wichtig?
Frau Lüthi: Beobachten und sehen, was gerade gebraucht wird, die leisen Zwischentöne wahrnehmen und darauf reagieren ist eine Gabe. Möglicherweise ist einem die Wichtigkeit im Moment gar nicht bewusst. Man fühlt sich dadurch einfach mehr daheim. Und realisiert erst später, dass man da etwas ganz Schönes erleben durfte.
Frau Wicki: Absolut! Ich weiss aus eigener Erfahrung aus meiner früheren Arbeit in der Psychiatrie, wie wichtig es ist, sich in andere hineinversetzen zu können. Vielleicht schätze ich es deshalb umso mehr, wenn man sich auch in mich hineinversetzt und Details Beachtung schenkt.
Zwischen diesen vier Menschen herrscht Einigkeit. Sie wollen als Persönlichkeiten mit ihren Bedürfnissen und Befindlichkeiten gesehen werden. Und somit ist die Liebe zum Detail ein wichtiger Wohlfühlaspekt: egal ob es der zusätzliche Klacks Sauce auf dem Teller, die Hilfe beim Schuhebinden, die sorgfältig gefaltete Wäsche oder das freundliche Wort ist, wenn man sich im Flur begegnet. Frau Lüthi formuliert es passend: «Mit dem sogenannten fürstlichen Leben ist es nicht gemacht. Es braucht Talent für die Arbeit mit Menschen und Talent dafür, Details zu sehen. Und diese beiden Frauen haben Talent.» Frau Wicki bestätigt diese Aussage und schiebt mit einem verschmitzten Lachen hinterher: «Wobei so ein fürstlicher Swimmingpool im sechsten Stock schon schön wäre, aber das ist ein Detail.»
Aufmerksamkeit nährt Wohlfühlen
Bei Viva Luzern arbeiten viele Menschen im Hintergrund – etwa in der Reinigung, in der Wäscherei oder in der Technik. Sie sorgen mit feinem Gespür für das Wohlergehen der Bewohnenden. Wie wichtig das ist, darüber unterhielten wir uns mit zwei Bewohnerinnen und zwei Mitarbeiterinnen vom Viva Luzern Staffelnhof.
Marie-Louise Lüthi, 99-jährig, Bewohnerin. Sie hat in diesem Haus lange im Pflegeberuf gearbeitet und sagt: «Ich will als Mensch angenommen werden.» Pia Wicki-Engeler, 90-jährig, Bewohnerin, arbeitete viele Jahre in der Pflege, unter anderem in der Psychiatrie in Münsingen. «Fröhlichkeit ist wichtig. Und dass man mich ernst nimmt, auch», sagt sie. Sabina Bajrić, 50-jährig, Mitarbeiterin Wäscherei. Sie versichert: «Die Bewohnenden sind in der Wäscherei immer willkommen.» Anela Suljovic, 42-jährig, Mitarbeiterin Reinigung. Ihre Überzeugung: «Es hilft, die Besonderheiten der Bewohnenden zu kennen.»