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Standpunkt Andrea Wanner, Geschäftsführerin Viva Luzern: Lebensqualität trotz Demenz ist möglich.

Die Zahl der Menschen mit Demenz wird sich bis 2035 verdoppelt haben. Eine Entwicklung, auf die wir bei Viva Luzern reagieren – mit neuen Wohnformen und spezialisierten Angeboten. Denn klar ist: Mit der passenden Infrastruktur und den entsprechenden Betreuungskonzepten ist Lebensqualität im Alter möglich. Auch mit Demenz. Das weiss ich aus eigener Erfahrung.

Demenzerkrankungen zählen zu den häufigsten Leiden im Alter. Gemäss Schätzungen des Bun­desamtes für Gesundheit leben in der Schweiz gegen 155 000 Menschen mit dieser Krankheit, jährlich kommen rund 32900 dazu. Aufgrund der demografischen Entwicklung wird sich diese Zahl in den nächsten Jahren stark nach oben verän­dern. Im Jahr 2050 sind voraussichtlich 315400 Menschen an Demenz erkrankt, denn der grösste Risikofaktor ist das Alter. Eine Herausforderung für uns als Gesellschaft und eine grosse Verant­wortung für Viva Luzern als führende Anbieterin von Wohn-­ und Pflegeangeboten im Alter in der Zentralschweiz. Diese Zahlen verdeutlichen näm­lich die dringende Notwendigkeit, sich auf die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen einzustellen.

Hier kommt Viva Luzern ins Spiel

Allein im Kanton Luzern zählen wir laut dem Ge­sundheits­- und Sozialdepartement des Kantons zurzeit rund 5700 demenziell erkrankte Menschen, ein Grossteil von ihnen lebt zu Hause – mit der Un­terstützung von Angehörigen. Es ist unabdingbar, dass wir unser Angebot entsprechend ausrichten, um den wachsenden Bedarf an Betreuung und Pflege bei Demenz zu decken. Nicht zuletzt auch deshalb, da diese Krankheit ganz unterschiedliche Ausprägungen und komplexe Formen annehmen kann. Das bedeutet, dass wir uns auch intensiv mit den Bedürfnissen von betroffenen Menschen aus­einandersetzen müssen. Was benötigen sie, um ihre Lebensfreude trotz den Herausforderungen der Demenz zu bewahren? Wie sieht es mit ihrer Entscheidungs­- und Urteilsfähigkeit aus? Und wie können wir ihre Angehörigen unterstützen, die oft eine immense Last tragen? So bringt eine Demenzerkrankung viele Fragen mit sich. Fragen, die aus einer individuellen wie gesellschaftlichen Perspektive Antworten und Lösungen verlangen. Dabei sollte die Grundlage unseres Handelns stets die Wahrung der Selbstbestimmung sein.

Selbstbestimmung als Ausgangslage

Menschen mit Demenz sind individuelle Persön­lichkeiten, deren Freude und Würde trotz ihrer Er­krankung respektiert werden müssen. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, haben wir bereits Massnahmen ergriffen. Sie sollen dazu beitragen, die Lebensqualität der Betroffenen sowie der betreuenden Angehörigen während des Krank­heitsverlaufes zu erhalten und ihnen die notwen­digen Informationen und Angebote zur Verfügung zu stellen. Das heisst, wir beraten, indem wir Hilfe zur Selbsthilfe vermitteln und auf entsprechende Angebote aufmerksam machen, schon bevor es um eine eventuelle stationäre Aufnahme geht. Denn eine aktive und typische Alltagsgestaltung ist besonders für Menschen im Frühstadium einer Demenzerkrankung unheimlich wichtig. Schliess­lich wird dadurch der Krankheitsverlauf verlang­samt. Weiter stärken wir die Kompetenzen unserer Mitarbeitenden, um individuell auf die Bedürfnisse jedes Einzelnen eingehen zu können. Und neben der spezialisierten Demenzpflege im Dreilinden, Eichhof, Staffelnhof, Wesemlin und Tribschen nimmt letztlich auch das Demenzhaus Abendstern im Wesemlin immer konkretere Formen an. Das baufällige Haus – heute für die reguläre Langzeit­ pflege konzipiert – wird künftig auch auf Menschen mit Demenz ausgerichtet sein und so ein soziales und familiäres Umfeld bieten, das auch räumlich den spezifischen Anforderungen entspricht.

«Zuhause» ist sehr individuell

Dass Lebensfreude keine Frage des Alters, son­dern der Lebensqualität ist, weiss ich aus eigener Erfahrung. Denn als meine Mutter die Diagnose Alzheimer bekam, war ich selbst mit der Frage der Betreuung und Pflege konfrontiert. Seit 2019 lebt sie nun in einer Wohngruppe im Senevita Hal­ten­-Lenk im Simmental. Ein Haus, das zu ihr und ihrem bisherigen Lebensstil als Bäuerin passt. Der heimelige Chaletstil, die Natur mit der majestäti­schen Berglandschaft, der Landwirtschaftsbetrieb gegenüber: Eine Umgebung, die sie aufleben lässt – Freude und Sinn gibt –, und ein Zuhause, in dem sie sich rundum geborgen und sicher fühlt. Hier kann sie auch selbstbestimmt ihren gewohnten Aktivitäten nachgehen, wie beispielsweise dem all­täglichen Bügeln. Oder dem Giessen der Geranien im dazugehörigen Garten. Damit sie diese nicht gleich mehrmals am Tag wässert, weil sie sich nicht mehr daran erinnern kann, dafür sorgen die auf­merksamen Mitarbeitenden. Schön, zu sehen, dass dabei manchmal auch echte Beziehungen und Freundschaften entstehen – ein Mehrwert für alle.

Finanzierung als Herausforderung

Genau diese personenzentrierte Betreuung und Pflege ist es, die wir auch für Viva Luzern verfol­gen. Doch es gibt Herausforderungen, die nicht verschwiegen werden dürfen. Die Finanzierung, insbesondere jene der Betreuung, bleibt eine Hür­de. Anders als die Pflege werden die Betreuungs­leistungen in der Krankenpflege-­Leistungsverord­nung ungenügend abgebildet und finanziert. Die­se Diskrepanz benachteiligt Betroffene und ihre Angehörigen auf unethische und unsolidarische Weise. Es ist unerlässlich, dass auch die Betreuung angemessen finanziert wird, um ein gerechtes und würdevolles Leben für Menschen mit Demenz zu ermöglichen. Es ist eine Verpflichtung, der wir mit Entschlossenheit nachkommen, um auch für demenziell erkrankte Menschen Lebensräume zu schaffen, die Lebensfreude bringen.

Andrea Wanner, Geschäftsführerin Viva Luzern