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Quo vadis, Betreuung und Pflege?

Überalterung, Fachkräftemangel, Pflegefinanzierung: Schlagworte, die jeden Tag zu lesen sind. Immer mehr Menschen stellen sich deshalb die Frage: «Was kommt da auf uns zu?» Viva Luzern stellt sich den Herausforderungen und bietet Hand für Lösungen.

Heute leben mehr als 70 Prozent der Luzernerin­nen und Luzerner zwischen 85 und 94 Jahren im eigenen Haushalt.1) Eine Tatsache, die zeigt, dass sich die Bevölkerung zunehmend wünscht, auch im hohen Alter in den heimischen vier Wänden zu leben – möglichst autonom und selbstbestimmt. Dieses Bedürfnis ist tief verankert. Auch bei jenen, die letztlich doch in ein Betagtenzentrum eintre­ten. Sei es vorübergehend nach einem Spitalauf­enthalt oder für die meist kurze, letzte Phase ihres Lebens. Was bleibt, ist der Wunsch nach einem sinnvollen Alltag, nach sozialer Teilhabe oder dem Gefühl der Geborgenheit. Ich finde es wunderbar, zu sehen, wenn uns dies gelingt. Erst letzthin konnte ich beobachten, wie munter, vergnügt und angeregt eine Gruppe von Bewohnerinnen im Viva Luzern Eichhof aus einer Aktivierung kam. Doch so individuell der Mensch, so individuell sind auch seine Bedürfnisse. Es liegt an uns, die Rah­menbedingungen zu schaffen, damit jeder seine Zeit nach seinen Wünschen möglichst selbststän­dig gestalten kann. Dazu gehört Betreuung und Pflege, die über die medizinische Versorgung hinausgeht. Und ein Angebot an altersgerecht ge­stalteten Wohnungen, die bei Bedarf mit diversen Dienstleistungen ergänzt werden können. Eine solche Infrastruktur schlägt gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Zum einen entspricht die Kom­bination von Privathaushalt mit Betreuungs-­ und Pflegedienstleistungen den Bedürfnissen der älteren Bevölkerung, und zum anderen ist diese Form von Wohnen im Alter kostengünstiger als die bisherige, klassische Langzeitpflegeeinrich­tung. Deshalb nutzen wir unsere quartierähnlichen Areale vermehrt für intermediäre Angebote, also Wohnen mit Dienstleistungen.

Spezialkompetenzen stärken und Arbeits­bedingungen verbessern
Die Langzeitpflege wird aber auch in Zukunft be­stehen. Die Entwicklung der Gesellschaft und die zunehmende Individualisierung bringt jedoch eine Akzentuierung im Pflegeangebot mit sich. Gerade in den Bereichen Demenz und Gerontopsych­iatrie steigt die Nachfrage nach entsprechend spezialisierten Angeboten. Schliesslich leidet ein Viertel der über 65­Jährigen an einer psychischen Erkrankung wie einer Depression oder Abhängig­keit,2) und der Kanton Luzern erwartet zwischen 2015 und 2035 eine Verdoppelung der Menschen mit einer Demenzerkrankung.3) Wir sind also ge­fordert, dahin gehend unsere Kompetenzen zu stärken und künftig mehr Plätze für Menschen mit diesen Krankheitsbildern anzubieten. Diese Ent­wicklung haben wir mit der Unternehmensstra­tegie 2030 beschlossen. Mit dieser strategischen Ausrichtung bleibt auch das Arbeitsumfeld für unsere Mitarbeitenden interessant. Zwar kämpfen auch wir um Fachpersonal und halten den Pfle­geberuf attraktiv, indem wir uns für die Ausbil­dungsinitiative, höhere Löhne und weiterhin gute Arbeitsbedingungen einsetzen. Das gelingt uns zuweilen gemeinsam mit unseren Sozialpartnern gut: So haben wir im Rahmen der Verhandlungen zum Gesamtarbeitsvertrag im letzten Jahr unsere Arbeitsbedingungen weiter verbessert. Beispiels­weise schreiben wir neu unseren Mitarbeitenden pauschal und pro Tag Umkleidezeit gut und haben die Mindestlöhne erhöht.

Neue Finanzierungsmodelle und Partner­schaften vorantreiben
Es braucht neue Finanzierungsmodelle, welche die Betreuungsleistungen mitberücksichtigen und so für mehr Entlastung bei den Bewohnerin­nen und Bewohnern sorgen. Auch fehlen bislang klare, finanzielle Anreize für Spezialangebote wie Demenz, Palliative Care oder Gerontopsychiatrie. Als Mitglied im Branchenrat von Curaviva setze ich mich aktiv für die Klärung dieser Anliegen ein. Denn nur gemeinsam als Branche haben wir die nötige Schlagkraft, um auf solche Veränderungen bei Bund, Kantonen, Gemeinden und den Kran­kenkassen hinzuwirken. Daneben liegt es aber auch in unserer Verantwortung, uns mit unseren Partnern abzustimmen und Doppelspurigkeiten zu vermeiden, nicht zuletzt beim Angebot und den Spezialisierungen. Entsprechend suchen wir bewusst nach Synergien und kooperieren mit der Spitex, ebenso mit Spitälern und anderen Insti­tutionen. So sorgen wir beispielsweise auch mit Einkaufskooperationen für bessere Konditionen in der allgemeinen Beschaffung.

Das koordinierte Vorgehen ist ganz im Sinne der integrierten Versorgung. Im Rahmen dieses aktu­ell laufenden Projekts der Stadt Luzern wird die Zusammenführung der Spitex Stadt Luzern und Viva Luzern geprüft. Wo und wie auch immer die ältere Bevölkerung in Zukunft wohnen und leben will – entscheidend ist, dass wir sie bei ihren Be­dürfnissen abholen, die nötige Infrastruktur dafür bereitstellen und rasch auf neue Anforderungen reagieren. Dabei kommen wir wohl nicht darum herum, als Gesellschaft unsere eigenen Ansprüche an das Leben im Alter zu überdenken. Denn letzt­lich lässt sich eine bedürfnisorientierte Betreuung und Pflege nur dann finanzieren, wenn wir uns alle bewusst sind, was uns das lebenswerte Altern auch wert ist.

Andrea Wanner, Geschäftsführerin Viva Luzern


Quellen

  1. Bundesamt für Statistik, Bern
  2. BFS Gesundheitsbefragung 2017, www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org
  3. Demenzstrategie Kanton Luzern