«Ich helfe gerne.»
Im Gespräch mit drei Persönlichkeiten im Viva Luzern Eichhof über die Vergangenheit, die Zukunft, über den Alltag in Luzern und über die Nachbarschaftspflege.
Herr Stalder, wie sieht der perfekte Start in den Tag für Sie aus?
Morgens höre ich zuerst die Nachrichten im Radio, damit ich weiss, was in der Region los ist. Heute lief ich gleich nach dem Frühstück zum Bahnhof. Dort schnappte ich mir ein paar Exemplare der Zeitung «20 Minuten» und brachte sie den Bewohnenden des Hauses.
Sie decken also Ihre Nachbarn mit Zeitungslektüre ein – eine nette Geste!
Ja, manchmal erledige ich auch die Einkäufe für meine Mitbewohnenden. Da einige nicht mehr ganz so gut auf den Beinen sind, mache ich für sie die Besorgungen. Früher holte ich vermehrt Medikamente. Diese können inzwischen aber hier im Viva Luzern Eichhof abgeholt werden. Heute bitten mich die Nachbarn eher um kleinere Alltagsgegenstände, wie zum Beispiel Batterien für das Radio. Das ist für mich keine grosse Sache, ich mache das gerne. Und als Dank revanchieren sie sich mit ein wenig Trinkgeld.
Wie gestalten Sie Ihren Alltag im Viva Luzern Eichhof?
Nach dem Spaziergang zum Bahnhof gehe ich dem Ufer entlang zur Ufschötti oder laufe über die Allmend zurück ins Quartier. Auch wenn ich fast niemanden mehr kenne, zu einem Kaffee gehe ich immer gerne ins Restaurant Obergrund. Dienstags besuche ich das Hallenbad auf der Allmend. Dort schwimme ich ein paar Runden und geniesse danach das Sprudelbad.
Nehmen Sie auch am Aktivierungsprogramm von Viva Luzern teil?
Zwei Tage die Woche klopfe ich einen Jass in der Gruppe. Hier macht mir niemand etwas vor, den Schieber kann ich gut. Das Gedächtnistraining und Handarbeiten sind Teil des Aktivierungsprogramms, das ich jeden Mittwoch besuche. Hier beantworten wir Fragen über verschiedene Themenbereiche. Die Rätsel liegen mir nicht so, aber wenn es um Geografiefragen geht, bin ich stark! Ich kenne mich aus – sowohl international als auch in der Schweizer Geografie. Denn früher war ich viel unterwegs: in Amerika, in Südafrika
oder im hohen Norden.
Welche weiteren Hobbys sind Ihnen wichtig?
Ich mag es, mit dem Zug durch die Schweiz zu reisen. Als Frühaufsteher steige ich um 6 Uhr in den Zug – zu dieser Zeit findet man immer einen Platz. So pendle ich manchmal an einem Tag nach Genf, St. Moritz oder sogar ins Val Mustair. Früher unternahmen wir diese Ausflüge zu zweit oder zu dritt. Heute ist es schwieriger, jemanden zu finden, der für einen Tag so weit wegfahren mag. Manchmal geniesse ich auch ein paar Fernsehstunden und schaue mir Fussball -und Eishockeymatches an.
Sie sind also ein Sport-Fan?
Ja, im Gegensatz zur Politik interessiert mich der Sport sehr! Ich war immer Fan vom FCL, hatte eine Saisonkarte mit einem fixen Platz. Diese ist mir inzwischen zu teuer. Dieses Wochenende schaue ich mir die Lauberhorn-Abfahrt an. Wer gewinnen wird? Schwierig zu sagen. Ich fände es schön, wenn Feuz bei seinem letzten Heimrennen zusammen mit Odermatt auf dem Podest stehen würde (Anm. d. Red.: Heute wissen wir, dass Kilde vor Odermatt siegte und Feuz bei seinem letzten Rennen in Wengen auf Platz 5 fuhr).
Zur Person
- Alfred Stadler (geb. 1943) aus Luzern wuchs mit zwei Schwestern auf. Er verbrachte die Schulzeit im Toggenburg, absolvierte eine Gärtnerlehre und war danach bis zur Pension bei der Sauerstoff- & Wasserstoff-Werke AG Luzern (heute PanGas) tätig.
Elisabeth Röllin und Katharina Fallegger sind beide im Jahr 1949 geboren und wohnen heute im Haus Rubin im Viva Luzern Eichhof. Auch wenn ihr Werdegang sehr unterschiedlich ist, schauen sie gerne zurück in die wilden 70er-Jahre und teilen ihre Wünsche mit der nächsten Generation, wenn es um die grossen Themen dieser Welt geht.


Frau Fallegger, Frau Röllin, wie beschreiben Sie den Kontakt zu Ihrer Nachbarschaft?
Katharina Fallegger: Über die Nachbarschaftspflege weiss ich vieles zu berichten. Früher besetzte ich während 11,5 Jahren den Hauswartsposten in einem Haus mit 24 Parteien. Während dieser Zeit schlichtete ich zwischen den Nachbarn und korrigierte Vorurteile über die Mitbewohner. Ich mag es nicht, wenn Menschen hinter dem Rücken anderer tratschen. Hier im Eichhof ist es besser: Man kann den Kontakt zu den Leuten auswählen, einander ausweichen oder sich im Zimmer zurückziehen. In unserem Wohnbereich bin ich so etwas wie die «inoffizielle» Sprecherin. Vor Kurzem sassen wir an Silvester alle gemeinsam am Tisch. Diesen Moment nutzte ich, um mich im Namen von allen beim Pflegepersonal für die enorm gute Arbeit zu bedanken. Es war mir wichtig, ihm die gebührende Wertschätzung entgegenzubringen. Für unsere Anliegen ist das Pflegepersonal stets empfänglich. Und unter den Mitbewohnenden pflegen wir einen herzlichen Kontakt. Sie wissen, dass ich immer ein offenes Ohr habe, hilfsbereit bin und auch mit an Demenz erkrankten Menschen sehr gut umgehen kann. Dieses Feingefühl entwickelte ich schon früh: Mit 16 Jahren arbeitete ich in Neuenburg mit älteren Menschen.
Elisabeth Röllin: Ich bin oft umgezogen in der Vergangenheit. Wenn ich an einem neuen Ort einzog, entschärfte ich die Wohnsituation immer gleich zu Beginn. Ich organisierte einen Apéro unter den Nachbarn, was sehr auf Anklang stiess. Die Menschen waren neugierig auf mich als neue Mitbewohnerin und schätzten die Eigeninitiative sehr. Beim Einzug in den Eichhof lud ich aber nicht zum Apéro ein – ich mache doch keine Apéros mit Sirup (lacht)! Für eine gut funktionierende Nachbarschaft ist Offenheit wichtig. Hier bin ich etwas zurückhaltender.
Wie gestalten Sie Ihren Alltag?
Katharina Fallegger: Viva Luzern bietet ein tolles, vielseitiges Programm. Ich nutze das Angebot der Aktivierung (Gedächtnistraining), besuche Filmvorführungen und Konzerte und nehme an den Spielnachmittagen teil. Im Sommer bin ich gerne im weitläufigen Park. Diesen teilen wir mit Hasen, Hühnern, Schafen, Geissen und Eichhörnchen. Ich habe immer gesagt: Wäre ich ein Huhn, würde ich gerne hier leben. Einmal kriegten wir sogar Besuch von Lamas. Wir konnten sie richtig anfassen, ohne Gefahr zu laufen, dass sie spucken. Lamas spucken nur, wenn sie Angst haben. Aber die Bewohnenden hier sind ja ruhigere Menschen.
Elisabeth Röllin: Solange ich noch laufen kann, gehe ich zwei bis drei Mal pro Woche in die Stadt. Dort treffe ich mich mit jemandem zum Kaffee. Meine Passion ist aber die Malerei. Mit Farbstiften, Neocolor oder Pinsel übertrage ich meine Stimmung und meine Gedanken auf das Papier. Manchmal überrasche ich mich selber, wenn ich eines meiner Werke nach einer gewissen Zeit ansehe und denke: Jesses, was habe ich denn da gemalt?! Schon als Kind habe ich viel gemalt. Ich zog früh aus und ging nach Kassel, um dort Gestaltung zu studieren. Über die Malerei kam ich zur Fotografie. Ich fotografierte während neun Jahren den Abendhimmel vom gleichen Standort aus. Dabei kriegte ich alle Farben vor die Linse: von Türkis, Pink über Rot bis zu Grau. Sämtliche Fotos sind sortiert und mit dem Datum versehen. Ich konnte doch diesen Stapel Fotos nicht einfach entsorgen! Deshalb entschied ich mich, dieses Werk im Viva Luzern Eichhof auszustellen. Bei der Ausstellung im Foyer vom Haus Rubin gab es sogar eine Vernissage zur Eröffnung.
Sie beide haben die 70er-Jahre erlebt. Wie prägend war diese Zeit für Sie?
Katharina Fallegger: Was wir damals alles erlebten während der Hippiezeit! Wir hatten das Privileg, aus der schwierigen Kriegsphase herausgekommen zu sein, und genossen eine gute Zeit. Hare Krishnas sind durch die Strassen gezogen, mit der neuen Mode kamen die Miniröcke auf und die Musik veränderte sich mit den Rolling Stones und den Beatles bis in die 80er-Jahre hinein. Ich wäre auch eine Rebellin gewesen. Da ich aber schon früh Kinder hatte, war ich damals schon etwas ruhiger
Elisabeth Röllin: 1968 erlebte die Stadt Zürich erstmals Jugendproteste. Ich war an den Globus-Krawallen mittendrin. Widerstand ist wichtig, selbst wenn wir Jahre später zurückblicken und sehen, dass sich die Situation nicht verbessert hat – wenn 1 Prozent der Menschheit so viel Geld besitzt wie die restlichen 99 Prozent, dann stimmt etwas nicht. In den 70er-Jahren waren wir der Zeit voraus. Zusammen mit meinem damaligen Freund entwickelten wir in Kassel ein Experimentierhaus. Ein Pflanzenmantel sorgte dafür, dass wir ein konstantes Klima erreichten. Das bestätigten auch Messungen. Es sprach sich so weit herum, dass uns die Internationale Bauausstellung (IBA) nach Berlin holte. Dort begrünten wir Hinterhöfe in Kreuzberg und waren Teil der Besetzerszene. Nach Ostdeutschland wagte ich mich nie. Ich fürchtete mich vor der Willkür, nachdem ich einmal miterleben musste, wie ein Kollege bei der Ausreise von einer Beamtin aus der DDR schikaniert wurde. 1989 erlebten wir dann sogar den Mauerfall – das war schon eine verrückte Zeit.
Was möchten Sie den kommenden Generationen mitgeben?
Katharina Fallegger: Mich beunruhigen die Klimakrise, die Luftverschmutzung und die drohende Nahrungsmittelknappheit. Bereits vor 20 Jahren warnten Stimmen, dass es fünf vor zwölf sei. Seither hat sich nichts verändert. Wenn ich daran denke, was meine Grosskinder noch alles erleben werden! Jeder muss nun seinen Beitrag leisten und entscheiden, worauf er verzichten kann.
Elisabeth Röllin: Die nachfolgenden Generationen müssen Augen und Ohren offen halten, damit sie Gefahren rechtzeitig wahrnehmen. Manchmal ist es fast ein wenig zum Verzweifeln, mitanzusehen, wie langsam sich die Gesellschaft weiterentwickelt. Wichtig ist: Nie aufgeben und immer ein bisschen rebellieren.
Zu den Personen
- Katharina Fallegger (geb. 1949) aus Ebikon hat drei Söhne und drei Enkelkinder und wohnt seit September 2021 im Haus Rubin. Elisabeth Röllin (geb. 1949) aus Sursee wuchs mit neun Geschwistern auf, hat eine Tochter und zwei Enkelkinder. Sie wohnt seit Oktober 2020 im Haus Rubin im Viva Luzern Eichhof.
Tipp von Elisabeth Röllin an die Bewohnenden Viva Luzern Eichhof
«Besuchen Sie unbedingt einmal den Sinnesraum! Hier können Sie mittels Filmprojektionen im Wald laufen, den Sternenhimmel bestaunen, dem Strand entlanglaufen, den Wellen lauschen und das Knirschen unter den Füssen im Schnee geniessen.»
