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«Auch die Seele braucht Pflege.»

Zu einer ganzheitlichen Betreuung gehört auch, dass die Bewohnenden Zugang zu seelsorgerischen und aktivierenden Angeboten haben. Karin Blum, Teamleiterin Aktivierung, und Seelsorger Andreas Stalder erklären, welche Rolle das soziale und spirituelle Wohlbefinden bei Viva Luzern hat.

Andreas Stalder, warum ist die seelische Unterstützung im Betagtenzentrum so wichtig?

Wie in der Pflege und allen übrigen Berufsgruppen bei Viva Luzern geht es auch bei der Seelsorge zuallererst um das Wohl der Menschen. Dazu gehört das physische Wohlbefinden genauso wie das soziale und das spirituelle Wohlbefinden. Letztlich haben halt alle Menschen ganz individuelle Bedürfnisse. Gerade im Alter müssen wir umso mehr auf unser Wohl achtgeben.

Warum?

Andreas Stalder: Altwerden ist ein schwieriger Prozess. Alle Menschen bauen im Laufe ihres Lebens verschiedene Ressourcen auf. Diese können finanzieller, sozialer, kultureller oder spiritueller Art sein. Je älter man wird, desto mehr bröckelt alles zusammen wie ein Kartenhaus. Freunde und Angehörige sterben, der Job fällt plötzlich weg, das Geld wird weniger. Wir helfen den Bewohnenden dabei, das Kartenhaus neu aufzustellen oder zu erhalten.

Karin Blum: Genauso ist es auch bei der Aktivierung. Im Fokus steht stets das Streben, die körperlichen, geistigen, sozialen und emotionalen Ressourcen der Bewohnenden möglichst gut zu unterstützen. Die Menschen sollen sich in ihrer Umgebung wohlfühlen und ihren Alltag möglichst lange selbstständig bewältigen können.

Wie sieht ein typisches Aktivierungsangebot bei Viva Luzern aus?

Karin Blum: Das Angebot ist enorm vielfältig. Besonders beliebt ist zum Beispiel unser wöchentliches Gedächtnis- oder Bewegungstraining. Dadurch erhalten Bewohnende eine Tages- und Wochenstruktur. Darüber hinaus offerieren wir auch offene Gruppenveranstaltungen. Das Angebot reicht vom kreativen Gestalten über eine Backstunde bis zur gemeinsamen Diskussionsrunde. Neben den Gruppenaktivitäten bieten wir auch Einzelaktivierungen an. Das kann eine Klangschalenmassage sein oder eine Stunde in unserem neuen Snoezel-­Sinnesraum.

Andreas Stalder, vermutlich reagieren nicht alle Menschen gleich auf den Seelsorger. Wie finden Sie den Zugang zu den Bewohnenden?

Ich probiere es einfach immer wieder. Zudem bin ich fast immer mit meiner Gitarre unterwegs. Das gemeinsame Singen verbindet Menschen aus verschiedensten religiösen und kulturellen Hintergründen. Die Musik zaubert den Menschen oft ein Lachen ins Gesicht. Es gibt aber auch viele, die grossen Halt im gemeinsamen Beten, in der Kommunion sowie in anderen religiösen Ritualen finden.

Im Gespräch: Teamleiterin Aktivierung Karin Blum.

Karin Blum, wie holen Sie die Bewohnenden für Ihre Aktivitäten ab?

Dafür verfügen wir über unterschiedliche Kanäle, wie zum Beispiel Flyer und wöchentliche Aushänge. Zudem machen wir die Bewohnenden im persönlichen Gespräch auf unsere Angebote aufmerksam. Auch die Angehörigen spielen eine wichtige Rolle. Sie können uns wertvolle Informationen liefern – etwa darüber, was ihre Liebsten früher für Hobbys und Talente hatten. Ganz grundsätzlich braucht es in der Aktivierung viel Offenheit, Neugier und Kreativität.

Und was, wenn jemand per se kein Interesse daran hat, sich aktiv am Leben im Betagtenzentrum zu beteiligen?

Karin Blum: Aktivierung bedeutet nicht Aktivismus. Selbstverständlich respektieren wir, wenn jemand nicht bei unseren Angeboten mitmachen möchte. Gleichwohl versuchen wir natürlich auch, auf diese Menschen zuzugehen, die im ersten Moment vielleicht noch zurückhaltend sind. Die Erfahrung zeigt, dass manche Bewohnerinnen und Bewohner im Betagtenzentrum richtig aufblühen. Andere wiederum bleiben lieber im Hintergrund und beobachten das Geschehen aus der Ferne.

Inwiefern besteht ein Zusammenhang zwischen der Seelsorge, der Aktivierung und der Pflege?

Andreas Stalder: Wenn Menschen glücklich sind, wirkt sich dies auch auf die physische Gesundheit aus. Somit ist Seelsorge eine tolle Ergänzung, die Hand in Hand mit der Pflege läuft.

Gilt das auch für die Aktivierung?

Karin Blum: Natürlich. Wir sind regelmässig an den Pflegerapporten und an Fallbesprechungen dabei. Darüber hinaus legen wir grossen Wert auf eine interprofessionelle Zusammenarbeit mit allen Berufsgruppen. So beispielsweise mit der Hotellerie, Technik, der Administration und vielen anderen. Wichtig ist uns zudem, dass die Aktivierung auch Kontakt nach aussen hat – also zum Beispiel zu den Angehörigen, dem Zivilschutz oder unseren freiwilligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Apropos Freiwillige: Welche Rolle spielen sie im ganzen Prozess?

Die Freiwilligen sind bei der Aktivierung angesiedelt und unglaublich wertvoll für uns. Aktuell können wir im Eichhof auf die Unterstützung von über 30 freiwilligen Helferinnen und Helfern zählen. Oft handelt es sich dabei um Leute aus dem Quartier, um ehemalige Mitarbeitende oder Angehörige von ehemaligen Bewohnenden. Wichtig ist uns, dass die Freiwilligeneinsätze jeweils nicht nur für die Bewohnenden, sondern auch für die Freiwilligen selbst sinnstiftend sind. Deshalb versuchen wir bei der Einsatzplanung jeweils, so gut wie möglich auf die Wünsche und Talente der Freiwilligen einzugehen.

Herr Stalder, welche Bedeutung spielt der Glaube bei Ihren täglichen Rundgängen?

Für mich hat der Glaube primär mit Menschlichkeit zu tun. Natürlich ist das ein wichtiges Instrument für mich, aber ich besuche die Bewohnenden nicht mit der Intention, immer über Gott zu sprechen. Trotzdem gibt es natürlich häufig Situationen, in denen ich mit den Bewohnenden bete oder andere religiöse Rituale vollziehe. Hie und da werde ich aber schon eher als der Troubadour mit Gitarre denn als «Kirchenmann» angeschaut.

Und das stört Sie nicht?

Andreas Stalder: Überhaupt nicht. Wie heisst es doch so schön: Wer singt, betet doppelt. Das gemeinsame Singen tut den Menschen extrem gut und ist für mich eine tiefe Art der Spiritualität. Karin Blum: Das kann ich nur bestätigen. Es ist immer wieder faszinierend, zu sehen, wie die Bewohnerinnen und Bewohner auf deine Musik reagieren. Gerade Menschen mit einer fortgeschrittenen Demenzerkrankung reagieren häufig erstaunlich stark. Plötzlich singen und tanzen sie zu alten Liedern mit. Einfach wunderbar!